Die Arbeitsweise der Elektronischen Kampfführung
Die Anwendung moderner Elektronik in Waffensystemen und der daraus resultierende verzugsarme Einsatz von Führungsmitteln und Waffen hat jede Armee dieser Welt gezwungen, sich in die Abhängigkeit der Anwendung und Ausbreitung von elektromagnetischen Wellen zu begeben. Die Nutzung des elektromagnetischen Frequenzspektrums ermöglicht zum Beispiel den Einsatz von Radargeräten, um aufzuklären und Artillerie- und Flugabwehrwaffen einzusetzen, sowie den Einsatz von Funkgeräten, um Meldungen und Befehle zu übermitteln oder entgegenzunehmen. Nur bei Anwendung derartiger Mittel ist eine Armee heute in der Lage zu führen, aufzuklären und ihre Waffen zur Wirkung zu bringen. Aufgrund der unverrückbaren physikalischen Gesetze der Wellenausbreitung kann die Gegenseite diese elektromagnetischen Wellen erfassen, den übermittelten Inhalt auswerten, die Strahlungsquellen orten, daraus eine Feindlage reproduzieren, eigene Truppenteile warnen sowie eigene Maßnahmen davon ableiten und ergreifen.
Damit ergibt sich als Aufgabenstellung für die Elektronische Kampfführung:
Gegnerische Kräfte aufklären, das Ergebnis melden und auf Weisung elektronische Gegenmaßahmen ergreifen.
Der Betriebsablauf in der Elektronischen Kampfführung
Ausgehend von den physikalischen Gegebenheiten ergibt sich logischerweise ein zeitlich gestufter Prozess, um diese Aufgaben zu erfüllen:
- Suche nach dem aufzuklärenden Ziel.
- Aufnahme seiner elektromagnetischen Ausstrahlungen und Peilen der ausgestrahlten elektromagnetischen WeIle (Erfassung).
- Auswerten der bei Suche, Aufnahme und Peilung gewonnenen Informationen.
- Melden des Auswerteergebnisses.
- Je nach zusätzlichem Auftrag: Stören oder Täuschen des Gegners.
Suche
Mit Hilfe von Spezialempfängern in Empfangsanlagen und von Antennen, die eigens für den Aufklärungsdienst entwickelt worden sind, wird die Suche nach aufzuklärenden Zielen begonnen und ständig fortgesetzt. Der Äther ist nahezu übersättigt mit abgestrahlten elektromagnetischen Wellen, und neben der zur Verfügung stehenden Hochleistungstechnik sind intensive Bemühungen des erfahrenen Spezialisten erforderlich, um eine erfolgreiche Suche nach bestimmten Aufklärungszielen zu gewährleisten. Umfangreiche Ausbildung, jahrelange Einsatzerfahrung im Aufklärungsdienst sowie ein gewisser „sechster Sinn" sind Voraussetzungen, um ganz bestimmte Signale im Suchempfang zunächst zu finden, um dann darauf aufbauend zu entscheiden, ob sie aufzunehmen und damit zu dokumentieren sind. Unterstützt wird diese Arbeit durch bereits vorliegende und bisher bekannte technische und betriebliche Eigenschaften —Parameter — der aufzuklärenden Strahlungsquellen.
Aufnahme
Die sich daran anschließende Aufnahme der elektromagnetischen Ausstrahlungen muss vollständig und umfassend sein, um der Auswertung alle erreichbaren Informationen zur Verfügung zu stellen. Je nach Art der Strahlungsquelle, der dabei benutzten Frequenz und der Betriebsart kann die Aufnahme der jeweiligen Ausstrahlungen sehr unterschiedlich vielfältig und umfangreich sein. Als Beispiel mögen hier die Ausstrahlungen eines Radargerätes, eines Panzerfunkgerates zur Ubermittlung eines Angriffsbefehls und die eines Funktrupps, der eine Lagerorientierung eines Großverbandes weitergibt, dienen:
Die Ausstrahlungen von Radargeräten sind elektromagnetische Wellen ohne Nachrichteninhalte. Bei der Aufnahme von Radarsignalen kommt es daher darauf an, den elektromagnetischen Impuls zu dokumentieren, seine technischen Eigenschaften zu erkennen, die Parameter festzustellen und die einzelnen Ergebnisse aufzuzeichnen.
Die Ausstrahlungen eines Panzerfunkgerätes zur Ubermittlung eines Angriffsbefehls sind elektromagnetische Wellen mit Nachrichteninhalt. Bei der Aufnahme von Funkverkehr kommt es darauf an, den übermittelten Nachrichteninhalt, die Betriebsabwicklung der einzelnen Funkstellen zueinander sowie ihre Besonderheiten zu erkennen und festzustellen. Darüber hinaus sind die technischen Eigenschaften der jeweiligen Funkstellen zu vermerken. Schwerpunkttätigkeit dabei ist die Aufklärung in der Sprache des Gegners.
Der Funktrupp, der eine Lageorientierung eines Großverbandes weitergibt, kann dazu z. B. die Betriebsarten "Tastfunk" (früher) oder „Schreibfunk" anwenden. Er wird den Nachrichteninhalt mit Hilfe von Morsezeichen bzw. eines Telegraphieralphabetes übermitteln.
Ebenso wie bei der Aufnahme der Ausstrahlungen des Panzerfunkgerates kommt es vor allen auf den übermittelten Nachrichteninhalt, die Betriebsabwicklung der einzelnen Funkstellen, ihre Besonderheiten sowie ihre technischen Parameter an.
Diese drei Beispiele stehen für die verschiedenartigen Aufgaben der Aufnahme, die sich über alle Frequenzbereiche erstreckt und sämtliche verwendeten Modulations- und Betriebsarten abzudecken hat. Die Dokumentation der jeweiligen Aufnahme ist vielfaltig und reicht von Daten- und Analyseprotokollen über Aufzeichnungen bis hin zu manuell erstellten Empfangsmeldungen. All diese Unterlagen der Aufnahme werden als Rohmaterial bezeichnet und geben den aktuellen und unbewerteten „Aufnahme-Stand" der jeweiligen Aufklärungssituation wieder.
Peilung
Neben der Aufnahme der elektromagnetischen Ausstrahlungen ist ihre Peilung von entscheidender Bedeutung. Nicht allein der Inhalt und die Art einer elektromagnetischen Ausstrahlung ist für die Auswertung wichtig. Erst die entsprechende Ortsangabe gibt ihr den geographischen Bezug. Daher ist moglichst jede Aufnahme mit einer Ortsfeststellung zu verbinden. Mehrere Peilstellen wirken auf Initiative des Aufklärers, der die Suche oder Aufnahme durchführt, bei der Ortsfeststellung in einer Basis zusammen. Damit dieselbe sendende Stelle gepeilt wird, kommandiert der Aufklärer mit Hilfe eines besonderen Peilkommandoverfahrens die Peilbasis, d.h. er übermittelt die erforderlichen technischen und betrieblichen Daten (z.B. Frequenz, Rufname) gleichzeitig an alle Peilstellen. Damit können die Peilstellen simultan dieselbe elektromagnetische Ausstrahlung empfangen und mit ihrer speziellen Geräteausstattung die Einfallsrichtung der "elektromagnetischen Wellenfront" feststellen.
Im Schnittwinkel aller auf einer Karte reproduzierten Peilstrahlen ergibt sich ein Vieleck, in dessen Fläche die Strahlungsquelle zu suchen ist. Das Ermitteln der Ortung und die Bewertung der Peilergebnisse ist Aufgabe der Peilauswerter. Die Genauigkeit der jeweiligen Peilstrahlen und damit die Güte und die Qualität der Ortsfeststellung ist abhängig von Frequenz, Aufbauplatz und Homogenität*) des Erdbodens an der Peilstelle sowie von der Ausbreitung der elektromagnetischen Wellenfront.
Auswertung
Durch die weitere Untersuchung des Materials in Form von Verkehrs-, Betriebs-, Inhaltstechnischer und taktischer Auswertung werden weitere spezifische Erkenntnisse für die unterschiedlichsten Bedarfsträger gewonnen.
Meldung
Taktische Erkenntnisse können allerdings nur aus den betrieblichen und den technischen Ergebnissen der einzelnen Auswerter gewonnen werden. Dies bedingt eine sehr enge Zusammenarbeit aller Auswerter sowie gegenseitige Information, Unterstützung und Verzahnung der Tätigkeiten. Technische Ergebnisse sind Parameter der jeweils aufgeklärten technischen Einrichtung oder der abgestrahlten elektromagnetischen Welle. Eine verzugsarme und stetige Meldungserstattung an den vorgesetzten Truppenführer auf gesicherten Fernmeldeverbindungen ist Voraussetzung für eine aktuelle und umfassende Feindlagefeststellung des eigenen Großverbandes.
Stören + Täuschen
Ein Stör- oder Täuschauftrag an die Krafte für Elektronische Kampfführung wird durch die Auswertung in einen Befehl an die Krafte für Elektronische Gegenmaßnahmen umgesetzt. Die Auftragsdurchführung setzt voraus, daß die EloKa die erforderlichen technischen Parameter (z.B. Frequenz, Modulation) der zu störenden + täuschenden Empfänger des Feindes kennt. Während der Zeit der Störung können allerdings keine Aufklärungsergebnisse mehr erzielt werden; jedoch muss auch eine Störung + Täuschung überwacht werden. Aufklärung und Elektronische Gegenmaßnahmen schließen einander aus und erzwingen eine konkrete Koordinierung und Steuerung durch eine zentrale Stelle.
*) Gleichförmigkeit (Bodenart, Bodenfeuchtigkeit, Leitfähigkeit usw.)
Besonderheiten
Die EloKa-Einheiten tragen die gleiche Uniformkennzeichnung wie die "normale" Fernmeldtruppe. Waffenfarbe: Zitronengelb.
Eine Besonderheit, an der sich jeder sich jeder neue Soldat gewöhnen musste, wenn er im Schichtbetrieb eingesetzt war, war der Umgangston der zu der damaligen Zeit herrschte. Um möglichts effektiv zu arbeiten (für die Aufklärer war das schließlich keine Übung sondern "Ernstfall") waren kurze Anweisungen und schnelle Rückmeldungen unerlässlich. Der normale Befehlston, wie man ihn von der Grundausbildung kannte, war hier fehl am Platz. Statt Dienstgrade gab es Vornamen, man dutze sich vom Gefreiten in der Erfassung bis zum Hauptfeldwebel in der Auswertung. Die Schicht war eine eingeschweißte Truppe. Der Schichtführer in der Erfassung war Vorgesetzter - und es konnte durchaus einmal vorkommen, dass ein erfahrener Obergefreiter damit der Vorgesetzte eines jungen Unteroffiziers war.